Freispruch mit Wehmutstropfen für den „Glöckner von Herford“
Im westfälischen Herford wurde im Juli 2020, wie in vielen anderen Städten auch, der Muezzinruf genehmigt. Vorgeblich um nicht stattfindende Gottesdienste während der Corona–Maßnahmen zu kompensieren. Mit der unwahren Behauptung, es dürften ja keine Gottesdienste stattfinden, wurde auch in Herford der Muezzinruf genehmigt. Gottesdienste, egal welcher Religion, waren nicht verboten, sie konnten ab April 2020, unter Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen durchgeführt werden.
Die im Alleingang erfolgte Entscheidung des Stadtrates, unter Federführung des Bürgermeisters Tim Kähler (SPD), veranlasste den couragierten Bürger Marcel Bauersfeld, kreativ gegen die Entscheidung, den umstrittenen Muezzinruf zu erlauben, zu protestieren. Ihm schlossen sich später weitere mutige Herforder Bürger an. Die BPE berichtete hier und hier.
Zunächst bimmelte Marcel Bauersfeld mit einer Glocke, während des Muezzinrufs. Nachdem diese durch die Polizei konfisziert wurde, schlug er mit einem Kochlöffel auf einen Topf. Der Protest wurde als Störung der Religionsausübung ausgelegt. Marcel Bauersfeld wurde sogar daran gehindert, seinen Protest auszuführen, indem er kurzzeitig in Gewahrsam genommen wurde. Dazu wurde er in einen Polizeibus, der auf dem Moschee-Gelände stand, verbracht. Dagegen sträubte er sich, weil er partout nicht auf das Moschee-Gelände wollte, was ihm als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ausgelegt wurde.
Weder Bauersfeld noch die willensstarken Herforder beugten sich den Schikanen, die nun folgten. Es bildete sich sogar eine Bürgerinitiative gegen den Muezzinruf.
Die Bürgerinitiative musizierte gegen den Muezzinruf. Mit Unterstützung von Posaune, Gitarre und Flügelhorn wurde gegen “Allah ist der Allergrößte” an gesungen. Heimatlieder und christliche Choräle gegen den zur Schau gestellten Übergelegenheits- und Herrschaftsanspruch des Politischen Islams.
Auch in der Vorweihnachtszeit wurde musiziert. Was zu einem Bußgeldverfahren gegen die Bürgerinitiative führte. Das Singen und Spielen des Chorals “Ein feste Burg ist unser Gott” verstieß, nach Auffassung der Polizei, gegen die Corona-Auflagen. Die Musikinstrumente wurden als “Geräte, die zur Erzeugung von Lärm geeignet sind” identifiziert. Die Polizei griff in die Musikinstrumente und untersagte den musikalischen Protest. Der Muezzinruf konnte dagegen unbehelligt erschallen. Das Singen von „Allah ist der Allergrößte“ verstieß offenbar nicht gegen Corona-Regeln. Einen Bericht der BPE lesen sie hier und hier
Die mutigen Herforder Bürger wurden kriminalisiert, weil sie ihren legitimen Protest ausübten. Wie hier zu lesen ist.
Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass bewusst die religiöse Andacht der Muslime gestört werden sollte. Der Protest bezog sich ausschließlich auf die Zeit des Muezzinrufs, nicht während ritueller oder sakraler Handlungen. Der Muezzinruf zählt nicht zu solchen. Er ist, wie der Name sagt, nichts als ein Ruf zur Gebetsaufforderung. Bauersfeld wurde, seitens der Staatsanwaltschaft unterstellt, er wollte den öffentlichen Frieden stören. Ob der Muezzinruf den öffentlichen Frieden stört, danach fragte keiner.
Bußgeldbescheide wegen angeblicher Verstöße gegen die Corona-Maßnahmen folgten. Allerdings nicht für die eng an eng auf dem Moscheegelände versammelten Muslime, sondern nur für die Protestler. Die stünden angeblich zu dicht beieinander. Was angesichts der Tatsache, dass eine Posaune, wenn man sie ausfährt, jeden Mindestabstand garantiert, absurd ist.
Am Aschermittwoch dem 05.03.2021fand eine Gerichtsverhandlung vor dem Amtsgericht in Herford statt. Marcel Bauersfeld und zwei der mutigen Mitstreiter mussten sich wegen Störung der Religionsausübung verantworten. Die BPE berichtete hier. Hierzu sollte jeder diesen Artikel unseres BPE Mitglieds Eberhard Kleinert lesen.
Überall, so weit die Hörweite des Rufes reicht, ist jetzt schon Allahs Herrschaftsbereich, auch wenn die „Ungläubigen“ das noch nicht wissen.
Bauersfeld wurde zudem vorgeworfen: den Gottesdienst zu stören, Volksverhetzung begangen zu haben, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet zu haben sowie den öffentlichen Frieden gestört zu haben.
Bauersfeld ließ während der Verhandlung eine Erklärung durch seinen Anwalt verlesen. Die Erklärung gibt Marcel Bauersfeld im BPE-Video nochmals wieder.
Bauersfeld sieht seinen Protest als „akustische Wortmeldung“ gegen den Muezzinruf. Er habe mit kreativen Mitteln andere dazu bewegen wollen, sich der Verteidigung der Grundwerte unserer Gesellschaft anzuschließen. Zudem wolle er eine Diskussion anstoßen.
Denn der Muezzinruf beinhalte die Anerkennung und Unterwerfung unter die Scharia.
Ihm gehe es nur um die eigenmächtige Verfügung des Bürgermeisters, der 2020 den öffentlichen Muezzinruf genehmigt hatte. Bauersfeld betonte, nur seine Grundrechte wahrgenommen zu haben.
Es wurde ein Gutachten von Prof. Nagel vorgelegt, was im Wesentlichen folgendes aussagt.
Der Gebetsruf verkündet den Zeitpunkt, an dem einer der fünf Tagesabschnitte beginnt, in dessen Verlauf jeweils das ihm zugeordnete rituelle Pflichtgebet zu absolvieren ist. Beispiel: Wenn die Sonne im Mittag steht, wird zum Mittagsgebet gerufen, das von da an bis zum Eintritt des Zeitabschnitts des Nachmittagsgebets vollzogen werden muss. Dieser Tagesabschnitt beginnt, sobald die Gegenstände einen Schatten werfen, der ihrer Höhe entspricht; dann wird zum Nachmittagsgebet gerufen.
Mit der ritualrechtlich gültigen Ausführung des jeweiligen Pflichtgebets hat der Gebetsruf nichts zu tun. Das Hören des Gebetsrufs ist ritualrechtlich kein Teil des Pflichtgebets. Wenn dies so wäre, dann hätte ein Pflichtgebet, das von jemandem außerhalb der Rufweite einer Moschee vollzogen wird, ritualrechtlich keine Gültigkeit. Ohnehin können die Pflichtgebete zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb des Tagesabschnitts, dessen Beginn durch den Ruf verkündet wird, durchgeführt werden.
Prof. Dr. Tilman Nagel ist Orientalist, Islamwissenschaftler und ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Von 1989 bis 2007 war er als Professor für Arabistik und Islamwissenschaften an der Georg-August-Universität in Göttingen tätig.
Der Staatsanwaltschaft wurde Gelegenheit gegeben, ebenfalls ein religionswissenschaftliches Gutachten einzuholen. Dazu wurde der Prozess vertagt. Das Gutachten der Staatsanwaltschaft fertigte Prof. Muhanad Korchide an. Er kommt, wie Prof. Nagel bereits zuvor, zu dem Schluss: Der Muezzinruf gehört nicht zur Religionsausübung. Korchide findet, dass man ihn genehmigen könnte für die Muslime, nötig zur Religionsausübung ist er aber nicht.
Was auch einleuchtend ist, da sonst Muslime, in der Vergangenheit ohne Muezzinruf, ja nicht ihren Glauben hätten ausüben können.
Am Freitag, dem 16.06.2023, fand nun endlich die Fortsetzung der Verhandlung vor dem Amtsgericht in Herford statt.
Das Publikum bestand, bis auf die geladenen Zeugen der Polizei, allesamt aus Unterstützern von Marcel Bauersfeld. Bereits vor Beginn der Verhandlung wurde klar, der Richter wird versuchen einen „Deal“ zu bekommen. Richter, Staatsanwalt und der Rechtsanwalt des Beklagten berieten sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Gerichtssaal. Rechtsanwalt Röckemann nahm seinen Mandanten Bauersfeld noch vor der Verhandlung beiseite und erläuterte diesem den beabsichtigten „Deal“. Marcel Bauersfeld nahm die Autorin beiseite und erläuterte ihr kurz das Ansinnen des Richters und erklärte ihr gegenüber auf ein Urteil bestehen zu wollen. Ein Urteil, welches klärt, ob der Muezzinruf Teil der Religionsausübung ist. Er wollte nur sichergehen, dass er die BPE nicht diskreditiert, wenn er wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt verurteilt wird. Ich habe ihm versichert, dass die BPE ihn weiterhin unterstützen wird, egal welche Entscheidung er treffen wird.
Nachdem die Zuschauer den Gerichtssaal betreten hatten, wurde die Verhandlung offiziell eröffnet und schnell wieder unterbrochen. Es kam lediglich zur Verlesung der Personalien des Angeklagten und zum Aufruf der Zeugen, damit diese über ihre Pflichten belehrt werden konnten. Nach der Verlesung der Anklageschrift wurde die Verhandlung auch schon unterbrochen. Alle mussten den Saal verlassen. Alle bis auf Richter, Staatsanwalt, den Beklagten und seinen Rechtsanwalt.
Die Beratung im Gerichtssaal zog sich ungewöhnlich lange hin. Nachdem alle wieder in den Saal durften, verkündete der Richter die Entscheidung.
Über den Muezzinruf wird nicht geurteilt werden. Obwohl zwei Gutachten bestätigen, dass der Muezzinruf NICHT Teil der Religionsausübung ist. Begründet wurde die Entscheidung des Richters damit, dass ein Amtsgericht nicht autorisiert sei, eine solche Entscheidung zu treffen. Diese Autorität obliegt allen der Politik. Alle Anklagepunkte wurden fallen gelassen, bis auf Widerstand gegen die Staatsgewalt. Dieser Punkt wird gegen Zahlung eines Bußgeldes auch eingestellt werden. Marcel Bauersfeld durfte im Gerichtssaal eine von ihm verfasste Erklärung verlesen.
Protest gegen den Muezzinruf ist legitim und straffrei, sofern es keine Widerstandshandlungen gegen die Staatsgewalt gibt.
Jeder, der gegen den Muezzinruf ist, ist nun aufgefordert den Politikern und Parteien in den Ohren zu liegen. Nur mit entsprechendem Druck aus der Wählerschaft wird die Politik handeln. Druck muss auf alle Parteien, die nichts gegen den Muezzinruf unternehmen, ausgeübt werden. Jeder kann selbst tätig werden und kreativ protestieren, wie das Beispiel Marcel Bauersfeld zeigt. Noch besser ist es, man schließt sich der BPE an, der größten islamkritischen Organisation in Deutschland.
Die Erklärung, welche im Gerichtssaal verlesen wurde, trägt Marcel Bauersfeld in diesem Video vor. Ein Interview mit Marcel Bauersfeld, geführt vom renommierten Islamkritiker Michael Höhne-Pattberg, finden Sie hier.