Das Mahnmal bleibt

„Dieser Schmerz betrifft uns alle“

So lautet der Name des Mahnmals auf der Hohenzollernbrücke in Köln, welches an den Völkermord an den Armeniern in den Jahren 1915/1916 erinnert. Der Platz für das Mahnmal wurde mit bedacht gewählt. In Sichtweite thront, auf einem Sockel, Kaiser Wilhelm II. Dieser Kaiser entsandte 800 Führungsoffiziere in die osmanische Armee, welche sich am Völkermord an den Armeniern beteiligten.

Bei Ha Galil.com wird die Symbolik des Mahnmals erläutert.

Zwei namhafte Künstler haben das Mahnmal umgesetzt. Drei gegeneinander angelehnte stählerne Seiten einer Pyramide tragen an der Spitze einen Granatapfel. Dieser Granatapfel ist aufgeschlitzt, er trägt eine Wunde in sich, die den Völkermord und mit ihr die Leugnung dieses
Menschheitsverbrechens symbolisiert. Das Bild des Granatapfels mit einer klaffenden Wunde stammt nicht von uns, sondern wird von der Zivilgesellschaft in der Türkei verwendet, wenn an den Genozid in der Türkei gedacht wird – so zum Beispiel auf dem Taksim-Platz in Istanbul.

In die Platten des Mahnmals, sie bestehen aus Kortenstahl, ist in armenischer, deutscher, türkischer und englischer Sprache folgender Text gelasert:

„Dieser Schmerz betrifft uns alle

Während des 1. Weltkrieges – zwischen 1915 und 1918 – wurden in der heutigen Türkei über eine Million armenische Frauen, Männer und Kinder aus ihren Häusern vertrieben, deportiert und ermordet.


Das Osmanische Reich und die beteiligten deutschen Offiziere unter Führung Kaiser Wilhelm II. tragen die Verantwortung für diesen Völkermord an der armenischen Bevölkerung.


Nur eine entschiedene Ächtung der Entwürdigung von Minderheiten und die Einsicht, dass es weder religiöse, nationale noch ethnische Überlegenheit zwischen den Menschen gibt, kann solche Verbrechen verhindern.“

Seit Jahren wird über das Mahnmal in Köln gestritten. Die Schande von Köln zieht sich bereits seit 6 Jahren hin. Obwohl das Mahnmal an genau dieser Stelle viele Unterstützer hat, sind offenbar nicht alle mit einem Mahnmal, was an den Genozid in der Türkei erinnert, einverstanden.

2018 wurde das Mahnmal errichtet. Seitdem wird immer am 24. April, dem Gedenktag an den armenischen Völkermord, dort an den Genozid erinnert. Das Mahnmal ist eine „Gedenkstätte To Go“. Die Stele wird zum Gedenktag aufgestellt und kurz nach dem Gedenken von der Stadt Köln wieder entfernt.

Die Stadt Köln argumentiert damit, dass das Mahnmal den Verkehr störe – gibt aber auch zu, dass das Thema wegen der zahlreichen türkischen und türkischstämmigen Menschen in Köln brisant sei. In einem Schriftsatz der Stadt für das Verwaltungsgericht soll sogar von „hochbrisant“ die Rede sein, twitterte der Kölner Rechtsanwalt Ilias Uyar.

An dieser Stelle ist übrigens gar kein Verkehr. Ein eventuell mal zu bauender und noch nicht genehmigter Radweg kann nur ein vorgeschobener Grund sein, um das Mahnmal immer wieder entfernen zu können. Auf der gegenüberliegenden Rheinseite wurde erst kürzlich eine künstlerisch gestaltete Sitzgruppe fest installiert. Da scheint der zukünftige Radweg keine Rolle gespielt zu haben.

Eine zivilgesellschaftliche Initiative mit dem Namen „Völkermord erinnern“ hatte, nach der Resolution des Deutschen Bundestags, bei der der Völkermord an den Armeniern von Deutschland anerkannt wurde, einen wichtigen Impuls dieser Resolution aufgegriffen.

„Das Deutsche Reich trägt eine Mitschuld an den Ereignissen. Der Bundestag bekennt sich zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands.“ Und dann kommt eine konkrete Aufforderung, es seien „innerhalb Deutschlands Initiativen und Projekte in Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Kultur zu fördern, die eine Auseinandersetzung mit den Geschehnissen von 1915/1916 zum Thema haben.“

Im vergangenen Jahr hat die Initiative das Mahnmal nach dem Gedenktag nicht wieder abgebaut. Die Stadt Köln ließ das Mahnmal mit deinem Gabelstapler abtransportieren. Aufgrund der medialen Berichterstattung empfing Oberbürgermeisterin Heriette Reker Mitglieder der Initiative. Es müsse rechtlich und demokratisch alles seinen geordneten Gang gehen. Frau Reker stellte sogar einen Lotsen der Stadt zur Verfügung, welcher helfen sollte, den formell richtigen Weg zu beschreiten. Das tat die Initiative. Sie beschritt den von der Stadt vorgegebenen Weg. Es sollte nicht der Rat der Stadt Köln, sondern die Bezirksvertretung Innenstadt für die Genehmigung zum dauerhaften Verbleib des Mahnmals zuständig sein. Dort wurde Folgendes beschlossen:

Der Antrag der BV wird mit folgenden Worten eingeleitet: „Die Bezirksvertretung Innenstadt erkennt die Wichtigkeit und Dringlichkeit des von der Initiative „Völkermord Erinnern“ vorgebrachten Anliegens an, in Zukunft an zentraler, prominenter Stelle der Stadt an die am 2. Juni 2016 vom Deutschen Bundestag anerkannten genozidalen Verbrechen im Rahmen des Völkermordes an den Armeniern und der Verantwortung Deutschlands zu erinnern.“

Die Verwaltung bot an, das Mahnmal einmal jährlich am 24.04. aufstellen zu dürfen. Das wurde von der Initiative unter Protest abgelehnt. Nun sollte plötzlich nicht mehr die Bezirksvertretung Innenstadt, sondern der Rat der Stadt Köln zuständig sein. Der Verwaltung ging es offenbar nie darum, eine rechtssichere Möglichkeit zu finden, das Mahnmal stehenzulassen. Warum das so ist, darüber kann man nur spekulieren. Allerdings warnte der Verfassungsschutz NRW im April 2023:

Der Verfassungsschutz NRW warnte im April 2023, die Türkei versuche verstärkt auf Entscheidungsträger und Politik in Deutschland Einfluss zu nehmen, insbesondere wenn es um die Armenierfrage oder Gedenkveranstaltungen gehe.

Die Ruhrbarone zitieren die armenische Kirche in Deutschland:

„ In keiner anderen Stadt in Deutschland wurde mit dem Gedenken zum Völkermord an den Armeniern derart despektierlich umgegangen.

Wir hoffen, dass das Mahnmal weiter an seinem Platz stehen bleiben darf, als Zeichen der Solidarität mit den Nachfahren der Genozidüberlebenden und zur Sichtbarmachung der historischen Verantwortung für die Zukunft.“

Armenische Kirche in Deutschland: Diözesan-Delegierten-Versammlung am 02.07.2023

Das Ordnungsamt der Stadt Köln wies im Namen von Oberbürgermeisterin Henriette Reker alle Beteiligten am 29.06.2023 an, das Mahnmal zu entfernten. Ansonsten würde das die Stadt Köln übernehmen und die entstehenden Kosten von ca. 4000 Euro der Initiative Völkermord in Rechnung stellen.

Die Begründung lautet kurz und knapp, „die Interessen der Stadt Köln und auch der übrigen einzelnen Verkehrsteilnehmer*innen“ durchzusetzen, weil es unerlaubt „öffentliches Straßenland“ in Anspruch nähme und den Gemeingebrauch beeinträchtige.

Die Ruhrbarone titelten am 26.05.2022: „Köln beugt sich dem Druck von Genozidleugnern“

Die Stadt beugt sich dem Druck von Genozidleugnern, die sich zu einer türkischen Initiative zusammengeschlossen haben. Reker und ihre Verwaltung sind der Ansicht, diese Leute würden „die Türken“ in der Stadt repräsentieren …

Die Taz berichtete:

Teile der türkischen Community in Köln wehren sich massiv gegen das Mahnmal. Besonders stark engagiert sich die Türk-Initiative. Ihr gehören unter anderem Ditib- und Atib-Verbände an, aber angeblich auch Anhänger der rechtsradikalen Grauen Wölfe.

Auf ihrer Website schreibt sie von einem „Pseudo-­Genozid-Mahnmal“.

In Köln können die Genozid-Leuger ganz unverhohlen drohen. So ist in der Taz zu lesen:

In einer Pressemitteilung schreibt die Initiative von möglichen Unruhen in der türkischstämmigen Bevölkerung, die es zu vermeiden gelte. Eine versteckte Drohung? Bölükbaşı widerspricht: „Drohungen liegen uns völlig fern. Wir wollen eine friedliche Lösung im Dialog. Aber es gibt auch Gegner des Mahnmals, die nicht in unserer Initiative sind. Und da weiß ich nicht, wie die reagieren werden.“

Am 12.07.2023 wurde im Rat der Stadt Köln beschlossen, das Mahnmal bis nach der Sommerpause an seinem Platz zu belassen.

Danach soll die Stadtverwaltung einen Dialog- und Findungsprozess mit allen Beteiligten starten, um eine laut Stadt angemessene und zeitgemäße Form des Erinnerns zu finden.

Die Schande von Köln findet noch immer kein Ende.

 

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